Die ureigenste Aufgabe der Biskaya
Am 21. November verließ die schöne Henryke VII ihr Geburtsland Frankreich mit dem Ziel Guadeloupe. An Bord ein Sixpack Männer, gut gemischt in drei 60+er und drei 20+er, drei Juristen und drei Nichtjuristen. Hierdurch war rein beruflich der Idealzustand erreicht, in welchem jeder Deutsche seinen eigenen Juristen hat.
Von der seglerischen Erfahrung und Qualifikation her konnte man grob einstufen in drei Atlantiksegler und drei Ostseesegler, wobei der Autor eher als Ostseemitsegler zu bezeichnen ist.
Die Biskaya zeigte sich über den Anblick von Schiff und Mannschaft so erfreut, dass sie ihre ureigenste Aufgabe, die sie überquerenden Seefahrer in Angst und Schrecken zu versetzen, gröblichst vernachlässigte. Dies bescherte den sechs sonnige Segeltage und phantastisch schöne mondhelle Segelnächte unter einem 180-Grad Sternenhimmel und einen milden, gleichwohl antriebsstarken Nordost . Die erfahreneren Segler prognostizierten, man habe mit der Biskaya das potentiell schlimmste Gebiet hinter sich. Zwar werde es wohl noch ein paarmal kräftig pusten bis zum Passat; dies sei aber nichts Dramatisches.
Der Kurs wurde nach Südsüdwesten geändert zwecks Shortcut und die unerfahrenen Segler rechneten mit nichts anderem mehr als allmählich ansteigenden Temperaturen, so ein Grad per 100 Meilen.
Mittlerweile hatte die Biskaya sich berappelt und auf ihre traditionelle Rolle besonnen in Form eines kräftigen Sturmtiefs, dessen südliche Ausläufer sie der Henryke hinterherschickte so nach dem Motto: „dass Ihr bloß keinen falschen Eindruck von mir behaltet“.
In Folge nahm nicht nur der Wind an Geschwindigkeit zu, sondern die Wellen änderten Frequenz und Höhe in einem Tempo, dass es den Ostseeseglern schier den Atem verschlug.
Noch schlimmer war, dass die Wellen ihre Ordnung richtungsmäßig völlig einstellten, sondern vielmehr von rechts und links und teilweise auch von oben kamen. Eine besonders hohe und bösartige Welle krachte mit der Kraft und dem Geräusch eines riesigen Hammers auf die hintere Backbordseite des Schiffes und forderte einige Opfer an Zubehör einschließlich einer Rettungseinrichtung. Schließlich war auch der Verlustunserer Nationalflagge zu bemerken.
Kurzzeitig 80% Schieflage – da wurden sogar unsere erfahrenen Segler ein bisschen blass um die Nase.
Danach wurden die ohnehin vorbildlichen Sicherheitseinweisungen durch unseren Senior-Kapitän noch verstärkt und vertieft. Man lernt, was Seemannschaft bedeutet, nämlich auf das Schlimmste vorbereitet sein, damit Schaden von den Menschen und vom Schiff abgewendet wird. Was dieser Zwischenfall bewirkte, war daneben vor allem ein enormer Respekt vor den Kräften des Meeres, also der Natur.
Nach einem zweitägigen Aufenthalt auf der schönen, aber sehr regnerischen Insel Madeira, einem Five o´Clock Tea im berühmten Reids Hotel mit anschließender Parkbesichtigung (mit Sondererlaubnis, weil wir so nett sind) geht es jetzt nach der Aufnahme von Diesel, Wasser und einer halben Tonne Lebensmittel sowie einigen Reparaturen am Schiff weiter – auf einem unter Sicherheitsaspekten etwas geänderten Kurs.
Lieber etwas länger unterwegs sein, als in das für diese Jahreszeit untypisch aufkommende Tief zu geraten. Supermannschaft und Superboot – wir freuen uns auf den zweiten Teil der Reise.