600 sm auf den Spuren von Christoph Kolumbus von Casa de Campo (Dominikanische Republik) nach Port Antonio (Jamaica)

Kolumbus landete als erster Europäer am 5. 12. 1492 an der Nordküste vom heutigen Haiti (damals von ihm La Isla Espanola genannt, von den Engländern in Hispaniola umgewandelt).

Wir – Gesa und Peter Cordes – landeten am 11.1. 2011 in Punta Cana, dem für All-inclusive-Touristen an der Ostküste der Dominikanischen Republik gebauten Flughafen und gelangten mit unserem freundlich lachenden Taxifahrer Louis nach 60 km Fahrt durch endlose Zuckerrohrfelder in die Marina Casa de Campo. Dort empfingen uns voll Freude Uwe und Inge auf ihrem großen Schiff. Kolumbus’ viermastige Karavelle„Nina“ war mit 20 m Länge nicht sehr viel größer.
Sie hatten sich als Ausgangspunkt für unsere gemeinsame Reise einen wahren Luxushafen ausgewählt. Wohin man schaute – Sauberkeit, Ordnung, Hilfsbereitschaft. Dazu die große Zahl der Luxusyachten ab 50 Millionen Dollar aufwärts, die vielleicht zwei- bis dreimal im Jahr genutzt werden, trotzdem aber das Jahr über mit Klimaanlage und Putzlappen auf Hochglanz gehalten werden. Casa de Campo Marina ist nur Teil einer mit Zaun umgebenen Anlage, die sich über 4000 ha erstreckt, unzählige Villen – ab 2 Mio Dollar aufwärts – , Golf-, Schieß-, Polo-, Reit- und Helikopterlandeplätze umfasst und als beeindruckende Spielwiese der Reichen dieser Welt wohl insgesamt einen Staat im Staate darstellt und ziemlich einmalig für die Karibik ist
Eine Fahrt in die Zuckerrohrplantagen nach Batey Cacata ins Dorf der Haitianischen Plantagenarbeiter zeigt dann die Kehrseite der Medaille – Armut, Trostlosigkeit unter sengender Sonne, Ausbeutung. Sehr nachdenklich kehren wir in unsere Luxusmarina zurück.

Karibisch wird es 15 sm weiter östlich an unserem Ankerplatz vor Isla Saona mit seiner naturgeschützten Palmenkulisse, dem leuchtend gelben Sandstrand und diesem unvergleichlich türkisblauen und jadegrünen Wasser, klar bis auf den Grund, so dass der Anker beim sich Eingraben beobachtet werden kann.
In Bayahibe finden wir nach 10 sm trotz unzähliger Mooringtonnen für Touristenkatamarane Platz für unseren Anker und erleben zum ersten mal ein freundliches, von Einheimischen geprägtes Fischerdorf, in dem langsam der Tourismus Oberhand gewinnt. Mojito bei Abendsonnenuntergang kann nur empfohlen werden! Die Dorfbevölkerung versammelt sich vor dem Colmada – dem Kramladen – um bei ohrenbetäubender Merengue-Musik die Ereignisse des Tages zu diskutieren.
Boca Chica, 48 sm entfernt Richtung Westen, ist für die schnelle „Henryke VII“ bei 4 Bft. aus SE ein Kinderspiel und für uns ein großes Vergnügen bei diesen angenehmen Temperaturen von 25 bis 30°. Die Marina empfängt uns freundlich und nun zeigt sich, was sich wie ein roter Faden bis zum Ende der Reise fortspinnen sollte: Die Menschen hier sind ungemein kontaktfreudig. Nach kurzem Gespräch ist es so, als wären wir schon lange befreundet und immer sind auch deutsche Segler im Spiel, so Eddie, der voller abenteuerlicher Geschichten steckt und uns stolz seine „Villa“ inmitten haitianischer Wellblechbaracken zeigt.
Boca Chica ist so etwas Ähnliches wie der Sonnenstrand der nahe gelegenen Hauptstadt Santo Domingo. Viele Einheimische flanieren herum, lauteste Musik dröhnt bis in den frühen Morgen und abends, wenn die Hauptstraße für den Verkehr gesperrt wird und den Restauranttischen Platz macht, dann kommen die grauhäuptigen und dickbäuchigen Europäer, Amerikaner, Kanadier oder Australier mit ihren braunhäutigen, jungen Gespielinnen zum Vorschein.
Santo Domingo, 1496 von Bartolomeo Kolumbus, dem Bruder von Christoph, nach dem Verlust der Siedlung an der Nordküste als Nuevo Isabela gegründet, erkunden wir per Taxe. Das Kolonialviertel wurde als Weltkulturerbe mustergültig restauriert und vermittelt eine Ahnung, wie die damaligen Kolonisten gelebt haben. Das Cafe „El Conde“, direkt am Parque Colon und gegenüber der Kirche Santa Maria la Menor (1521 begonnen als erste und einzige gotische Kirche der Neuen Welt) gab es zur Zeit von Christoph natürlich noch nicht. Aber er schaute uns in Bronze gegossen von seinem Denkmalssockel beim gemütlichen Ausspannen zu, vielleicht etwas überrascht über die freundliche Leichtigkeit, mit der wir mit den Einheimischen ins Gespräch kommen; denn zu seiner Zeit waren sie den groben, mord-und goldlüsternen Kolonisten gegenüber ja weniger friedfertig.
In Lee der Südküste geht es weiter gen Westen, 65 sm bis Las Salinas. Bei bis zu 23 Knoten Wind aus Nord (katabatisch) über Ost auf SE drehend und glattem Wasser, macht „H“ bis zu 10 kn Fahrt und erweist sich als Meilenfresser. Peter steuert batterieschonend die ganze Zeit per Hand, sieht plötzlich Fischfarmen vor sich, schießt in den Wind und gibt damit wieder, was ein leichter Sonnenstich bewirken kann. Das Bimmini sollte eben auch den Rudergänger vor zu vielen Strahlen schützen.
Jorge Domenech betreibt vor seinem urigen Hotel in dieser weiträumigen Bucht auch einen kleinen Anleger, an dem wir festmachen zusammen mit Italienern, die Uwe helfen, seinen iPad in Gang zu bringen.
Kolumbus hat der Rundumschutz dieser Bucht wohl ebenfalls sehr zugesagt.
Die Langusten, die wir zum Abendessen bestellen, sind zwar frisch, aber etwas klein und so lange mit Champignons übergossen worden, dass sie ihren Eigengeschmack nicht mehr zur Geltung bringen können. Der Blick auf die Bucht mit „H“ im Vordergrund entschädigt.
Nach Bani, der Hauptstadt der Region Peralta und Zentrum von Kaffe und Papayaanbau, fahren wir mit dem Bus der Einheimischen, der uns, freundlicherweise auf freier Strecke anhaltend, zum Einsteigen einlädt. Im Rathaus übt eine Gruppe junger Mädchen Tanz nach Salsa- und Merengue-Musik. Unglaublich die Anmut und die Formen- und Bewegungsvielfalt, die in diese Musik hineingelegt werden können. Im Museum begegnet uns schließlich die Familie von Cerebrito Cabral, der Hauptperson des atemberaubenden Buches von Varga de Llosa über das Ende des DomRep-Diktators Raffael Trujillo 1961. So verknüpfen sich Vergangenes und Gegenwärtiges.
Nur 8 sm sind es nach Norden in die Bucht von Palmera d’Ocoa. Schon im Reisehandbuch wird sie uns als Domizil der Santo Domingischen Oberschicht geschildert. Tatsächlich steht am Strand ein schönes und gepflegtes Haus neben dem anderen. Zwei Uniformierte winken uns von einem Steg aus heran. Den Winken der Obrigkeit sollte man in diesem Land wohl besser folgen. So legen wir an, um nach dem Begehr zu fragen, was auf Spanisch nur Uwe einigermaßen gelingt.
Aber zum Glück mischen sich die Eigentümer des Wassergrundstücks dolmetschend ein. Die Uniformierten rücken in den Hintergrund und bei einer Flasche „H“- Wein sitzen wir mit Nelson und Ingrid Pena, Präsident von Peravia Motors, unter dem schützenden Dach der Steganlage und reden und reden und reden und kommen uns so nahe, als wären wir schon seit langem befreundet. Ein kühler Cocktail, eine Hausbesichtung und die Begrüßung durch einige der 7 Kinder beschließen diesen denkwürdigen Nachmittag.

Nur am Rande bemerkt:
In diesen Kreisen werden Drinks oder Gästeessen von den diversen Hausangestellten zubereitet. Ingrid beschäftigt allein für ihre große Kinderschar drei Fahrer, darunter einen für die nächtlichen Discobesuche. Abends sind wir zum Essen bei Penas Nachbarn eingeladen, nachdem Inge das „Ahoi Henryke“ zweier Paddler entgegengenommen hatte, von denen der Eine offensichtlich des Deutschen mächtig war. Und dann hören wir seine atemberaubende Lebensgeschichte!
Dieser, Peter Seidenberg, Erfinder des gurtbespannten Bootstrailers, schildert, wie es ihm und einem Freund gelang, 1963 mit einem Paddelboot von Warnemünde aus über die Ostsee nach Gedser in den Westen zu fliehen. Ausgewandert nach Kanada und verheiratet mit einer Amerikanerin, lebt er nun in Portsmouth, USA.
Ein weiterer Nachbar kommt mit seiner hübschen Frau. Das Gespräch wird immer bunter und lustiger. Wie sich herausstellt, arbeitet Manuel für die Hamburg Süd und wird uns Bescheid sagen, wenn er wieder in Hamburg ist.
Zurück auf der vor Anker liegenden „H“ folgen unsere neu gewonnenen Freunde der Einladung auf das Schiff und plötzlich ist alles voller Lachen, Reden und gefüllter Gläser. Wir fühlen uns irgendwie dazu gehörig.
Die 11 Stunden oder 72 sm zur Isla Beata, der Insel im äußersten Südwesten von DomRep, vergehen wie im Flug. Die Küste wird immer einsamer, immer karstiger, immer wilder. Wracks liegen an den Felsen. In Lee der Insel gehen wir vor Anker, vor uns der von Palmen gesäumte Strand, dazwischen die Hütten der Fischer und die Kommandantur, bei der wir unseren Ausreisestempel erhalten sollen. Kaum zu glauben, dass in dieser Weltabgeschiedenheit amtliche Handlungen dieses Ausmaßes vollzogen werden. Aber der nette Beamte stempelt und erhält eine kleine Flasche Gin zum Dank. Den Fischern verdanken wir große und frische Langusten, die Uwe lecker zubereitet und Fische in allen Regenbogenfarben, die ebenso lecker sind. Für die Netzwerker ist unser Dosenbier sicherlich noch wertvoller; denn außer Palmen, Sand, zahmen Kaymanen und Fischerei gibt es hier sonst nichts.
Die haitianische Insel Ile à Vache anzulaufen ersparen wir uns, obwohl die neben uns vor Anker liegenden Franzosen dieses als vollkommen ungefährlich erklären.
So geht es Anker auf schon um 4 Uhr morgens, um die 300 sm bis Port Antonio auf Jamaica in einem Stück zu erledigen. Der Wind pendelt sich mit 5 Bft. aus Ost/ SE ein, was praktisch bedeutet, „platt vorm Lacken“ zu segeln. Das mag kein Segler gerne, aber „H“ erreicht auch ohne Groß und ausgebaumter Genua 6-7 kn.
Mit kräftigerer Crew könnte natürlich mehr Geschwindigkeit gemacht werden, aber zwei Oldies bei 2-3 Meter hoher und durcheinander laufender Welle aufs Vorschiff zu schicken, um dort den schweren Baum in Stellung zu bringen, ist nicht ratsam.
Montags aufgebrochen, laufen wir nach 42 Stunden am Dienstagabend um 21 Uhr in die Bucht von Port Morant auf der Südküste von Jamaica ein, empfangen von mindestens 12 Coastguard- Soldaten, die sich verwundert die Augen reiben, was hier eine deutsche Yacht in stockdunkler Nacht so treibt und wie sie überhaupt den schwierigen Weg bis zum Anleger finden konnte. Sie helfen uns beim Anlegen und beginnen sofort mit der Arbeit, diverse Fragebogen ausfüllen zu lassen. Uwe erklärt dabei dem freundlich interessierten Anführer, wie die Navigationselektronik funktioniert, die uns so sicher an den Untiefen vorbei führte. So liegen wir als einziges Schiff am Anleger der Küstenwache und gut behütet in ihrem Schutz und erholen uns von der Schaukelei der Überfahrt.
Am nächsten Morgen erweist sich diese Bucht als optisches und landschaftliches Kleinod – dichtgrüne Ufer ohne Palmen vor dem gewaltigen Panorama der sich breit dahin lagernden, bis zu 2200 Meter hohen „Blue Mountains“, für die Jamaica berühmt ist. Leider ist das Wasser zu schmutzig für ein Morgenbad. Der Kommandant telefoniert aus Port Antonio den Einwanderungsbeamten herbei, der dann den ganzen Vormittag damit verbringt, die diversen Papiere, Pässe und Crewlisten zu prüfen und zu stempeln. Da es sonst nichts zu tun oder zu besichtigen gibt, üben wir uns leichten Herzens in Geduld. Allerdings fällt dabei dann doch
das Auswechseln der Ankerrolle ab sowie das glückliche Wiederauffinden von Inges Reisrückflugschein.
Die 45 sm bis Port Antonio müssen wir leider fast vollständig wegen ausbleibenden Windes mit Motor zurücklegen. Dicht unter Land fahrend, schauen wir in die diversen großen und kleinen Buchten. Alles macht von See aus einen freundlichen Eindruck.
Obwohl der Hafenmeister, auf Kanal 16 angesprochen, nicht begeistert von der Idee ist, zunächst in der östlichen Bucht zum Baden vor Anker zu gehen, gibt er uns dann doch Hilfestellung beim Anlegen in seiner Marina im Westteil. Hier stehen schon die adrett uniformierten Herren der Einwanderungsbehörde bereit, um uns ihrem Reglement zu unterwerfen. Das geschieht mit viel Palaver und Zeitverbrauch. Aber eines sollte in dieser Gegend ja eingeübt werden: Geduld.
Geduld musste auch Kolumbus aufbringen, als er im Juni 1503 an dieser Küste auf seiner 4. Reise, von Cancun kommend, seine goldbeladenen, aber von Würmern zerfressenen Schiffe aufgeben musste und einen Offizier mit Eingeborenen im Kanu Richtung Hispaniola losschickte, um Hilfe zu holen. Sie kam erst ein Jahr später.
Die an den Hängen der Bucht von Port Antonio aus dem Grün hervorlugenden Häuser erinnern ein wenig an Blankenese – wenn man die Augen ein wenig zukneift. Sonst ist alles sehr karibisch und sehr gepflegt – die Duschen, das Schwimmbad, die Bar, die Drinks und der Service.
Hier fühlen wir uns die nächsten 7 Tage sehr wohl, auch in der Gesellschaft deutscher Segler aus Nürnberg – die sympathischen Weltenbummler, Lebenskünstler und Zeitmillionäre Bernhard Endl und Ursula Ott auf ihrer „Lindum Thalia“ – die nicht nur Uwe zum skypen bringen, sondern auch uns mit bayrisch-deftigen Sprüchen zum Lachen.
Von hier aus erkunden wir mit der Taxe die nähere Umgebung, Wasserfälle, die „Blue Lagoon“ oder die Hauptstadt Kingston.
Die 200 km zum Flugplatz in Montego Bay ganz im Westen der Insel, legen wir mit Lothar aus dem Schwabenland zurück, der uns trotz Reifenpanne im Regen dort pünktlich abliefert.

Angesichts der gut geschützten Bucht und der professionell geführten Marina, wird Uwe das Schiff wohl hier während seines Deutschlandaufenthaltes an die Mooring legen. Nicht zuletzt wird dieser Entschluß durch das Engagement von Dan, einem Engländer, erleichtert, der als Bootsmann und Koch an den nun folgenden Reisen teilnimmt und „Henryke“ in Uwes Abwesenheit betreut.

Für dieses karibische Abenteuer auf den Spuren von Kolumbus und den Planken der „Henryke VII“ danken ganz herzlich

Gesa und Peter Cordes

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